Ein neues Wort stürmt die Medien: die sogenannte Resilienz. Doch was ist eigentlich genau damit gemeint? Nun, der Begriff Resilienz stammt ursprünglich aus der Biologie und bezeichnet die Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einwirkungen. Gerne wird als Beispiel für Resilienz das Bild eines Gummiballs oder einer Sprungfeder herangezogen: Egal wie sehr man den Ball drücken oder die Sprungfeder biegen mag – beides kehrt immer wieder in die ursprüngliche Form zurück.
Resilienz beschreibt also die Fähigkeit, selbst in schwierigen Situationen oder Lebensphasen wieder auf die Beine zu kommen. Während man früher annahm, dass Resilienz angeboren ist, weiß die Wissenschaft heute, dass innere Widerstandskraft zum großen Teil auch erlernt und trainiert werden kann.
In unserer heutigen Zeit - die durch erhöhte Mobilität, Informationsflut, steigende Lebensunsicherheit sowie häufige Mehrfachbelastung durch Familie und Arbeit geprägt ist - ist das Ansteigen von Stressfaktoren eine logische Begleiterscheinung dieser immer stärker werdenden Veränderungen. Obwohl wir statistisch betrachtet heute weniger arbeiten als je zuvor, fühlen wir uns oft im Alltag gehetzt, überfordert und stehen unter immensem Druck.
Was jedoch resiliente Menschen auszeichnet, ist, dass diese Menschen auch unter schwierigen äußeren Rahmenbedingungen gelassen reagieren. Es lässt sich feststellen, dass eben jene Personen selbst unter hohem Druck die Leistungsfähigkeit erhalten können und selbst persönliche Angriffe einfach abprallen lassen. Resilienz bedeutet also: trotz Stress langfristig mental gesund bleiben.
Obwohl die Basis der Forschung die Auswirkungen von Stress sind – in einem unterscheidet sich jedoch die Resilienzforschung vom traditionellen Ansatz der Stressforschung: Es geht nicht darum, nachzuvollziehen, wie es zur Erkrankung kommt, sondern es geht vielmehr darum herauszufinden, was Menschen gesund erhält.
Doch was ist letztendlich dafür verantwortlich? Wie kann jeder von uns diese innere Stärke erlangen?
Jedes System braucht sein Gleichgewicht
Was in der Wirtschaft oft übersehen wird, ist den Humanwissenschaftlern längst bekannt: Jedes System – und damit auch der menschliche Körper – kann nur dann optimal funktionieren, wenn es im Gleichgewicht ist. Jede Aktivität verlangt also einen entsprechenden Ausgleich um erneut Kraft zu sammeln. Wenn wir also tagelang mehr als 8h arbeiten und in der Freizeit auch noch ein Termin den anderen jagt und wir einfach nicht zur Ruhe kommen, braucht es keine hochwissenschaftliche Studie um zu erkennen, dass das System Körper in Schieflage kommt. Wir stehen buchstäblich „unter Strom“. Passiert in dieser Phase noch etwas Unvorhergesehenes oder ereilt uns eine negative Nachricht, dann geraten wir leicht in Panik.
Resilienz bedeutet also auch, sein System im Gleichgewicht zu halten. Der Weg zu Resilienz benötigt Erholung. Je mehr wir uns abverlangen, desto mehr Erholung brauchen wir. Interessanterweise ist uns das Prinzip sogar bei unseren Smartphones bekannt, die wir jeden Tag erneut aufladen. Wir Menschen haben eben keine Steckdose, es braucht hier andere Energiequellen, die unsere Batterien aufladen. Sport ist zum Beispiel eine hervorragende Energiequelle, wird dabei im Körper das Hormon Dopamin produziert, welches zu den sogenannten Glückshormonen zählt. Wichtig ist hier jedoch, dass wir nicht in die Leistung abdriften – einen Marathon zu laufen ist bewundernswert – aber sicher nicht erholsam.
Die Bambusstrategie
Die deutsche Trainerin und Leiterin des Resilienz Forums in Berlin, Ella G. Amann, hat spezifische Resilienzfaktoren definiert, die für die Erhaltung und Förderung von Resilienz von Bedeutung sind. Auch hier hat der Faktor Selbstregulation – alsodas Sorgen für die eigenen Bedürfnisse und das Einhalten von Regenerationszeiten – einen wichtigen Platz. Weitere Faktoren sind die Bereitschaft Selbstverantwortung zu übernehmen und bei Überforderung Hilfe von anderen annehmen zu können. Aber auch eine optimistische Grundhaltung gegenüber Veränderungen und das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten sind wesentliche Resilienzfaktoren. Dabei geht es weniger um „immer positiv denken“, sondern um die Fähigkeit, das Positive auch in der Krise nicht aus den Augen zu verlieren.
Übrigens auch rückwirkend: Richard G. Tedeschi and Lawrence G. Calhoun von der Universität von North Carolina sprechen hierbei vom „posttraumatic growth“ – also vom posttraumatischen Wachstum – der Fähigkeit, etwas Positives aus einem Trauma zu ziehen. Die beiden Universitätsprofessoren haben empirisch erforscht, dass eine Minderheit von Traumaopfern noch lange Zeit nach dem Trauma unter manifesten psychischen Störungen leiden.
Die meisten konnten danach das Leben intensiver wertschätzen, sich der eigenen Stärke besser bewusst werden, neue Möglichkeiten entdecken und persönliche Beziehungen intensivieren.
Zu ähnlichen Erkenntnissen kamen der amerikanische Hirnforscher Dr. Olivier Berton und der Elektrophysiologe Ming-Hu Han bei einem Experiment mit Mäusen: Sie setzten eine Maus in einen Käfig, der von einer angriffslustigen „Platzhirsch“-Maus bewohnt wurde. Es kam dadurch rasch zu einer Auseinandersetzung zwischen den ungleichen Kontrahenten. Wie erwartet wurde aus der ersten „sozialen Niederlage“ des Eindringlings nach zweiwöchiger täglicher Wiederholung des Zusammentreffens ein chronischer sozialer Stressor. Je mehr Mäuse untersucht wurden, desto mehr zeigte sich eine signifikante Gruppe an Versuchsmäusen, die gegen den chronischen sozialen Stressor resistent waren.
Han untersuchte nun die Fähigkeiten der resilienten Mäuse im Vergleich zu den nicht resilienten. Und die Antwort war verblüffend: Es waren jene Mäuse resilienter, die beim ersten Kontakt mit der „Kampfmaus“ in einem höheren Erregungszustand waren als die nicht resilienten Mäuse. Doch durch die hohe Aktivierung konnte bei diesen Mäusen ein Areal im Gehirn angetriggert werden, das für das Beruhigen und Anpassen bzw. Lernen in stresserregenden Situationen verantwortlich ist. Das spannende war, dass es eben eine hohe Erregung verlangt, um überhaupt diese Prozesse im Gehirn auszulösen.
Resilienz durch Empfindlichkeit?
Was bedeuten nun die Erkenntnisse aus diesen Experimenten für die Definition von Resilienz? Resilienz durch Empfindlichkeit? Stimmt denn tatsächlich der Titel eines bekannten Songs: What doesn´t kill you makes you stronger? Müssen wir erst Niederlagen und Krisen – die uns zutiefst erschüttern – in unserem Leben durchmachen, damit wir an Resilienz gewinnen?
Jein. Es ist auf alle Fälle mehr als hilfreich, sich Fähigkeiten und Kompetenzen anzueignen, die das Ziel haben, eine psychische Stabilität zu erlangen. Das permanente Stärken und Wachsen von Resilienz ist jedoch ein Resultat eines kontinuierlichen Lern- bzw. Weiterentwicklungsprozesses. Ein genaues Hinschauen auf ein Thema oder ein Problem gepaart mit der Fähigkeit zur Lösungsorientierung sind also gute Mittel, um resilienter durchs Leben zu gehen.
Gastbeitrag von Mag. Regina Svoboda
www.mentalerleben.at
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